Der Reitsport in der Kritik – Zukunftsängste durch ein falsches Bild in der Gesellschaft?

Die Tierschutzdebatte um den Reitsport ist seit dem Vorfall im modernen Fünfkampf wohl allen bekannt.

„Debatte um Tierquälerei: Der Reitsport kämpft um seine olympische Zukunft“

E-Horses Magazin

„Peta: Tierrechtler verurteilen Reiten als Tierquälerei“

Agrarheute

Schlagzeilen, die wir immer häufiger zu lesen bekommen. Der Reitsport scheint der Sport zu sein, der mit am häufigsten in der Diskussion steht. Dies vermutlich, da es die einzige olympische Sportart mit Tieren darstellt.

Gerade im Jahr 2021 wurden häufige Diskussionen um die richtige Vereinbarung von Sport und Tierwohl entfacht. Der hierfür verantwortliche Fünfkampf bestand zu dem Zeitpunkt aus den Disziplinen Pistolenschießen, Degenfechten, Schwimmen, Springreiten und Querfeldeinlauf. Die deutsche Sportlerin Annika Schleu missachtete als zu der Zeit Führende der Wertung der olympischen Spiele das Tierwohl und wirkte auf das völlig verzweifelte Pferd mit Gerte und Sporen ein. Ein Vorfall, der auch die meisten Anhänger des Reitsports schockierte.

Im darauffolgenden Jahr kamen Vorfälle wie der Sturz des Pferdes Allstar B während des Geländerittes der Vielseitigkeitsprüfung beim CHIO in Aachen hinzu, der zu einer so gravierenden Verletzung führte, dass das Tier der Weltmeisterin Rosalind Canter eingeschläfert wurde.

Grundlage für die Kritik der Tierquälerei am gesamten Reitsport ist neben solchen Vorfällen schlichtweg die in der Gesellschaft häufig verwendete  Verallgemeinerung, gefährliches Halbwissen, aber auch die Darstellung in den jeweiligen Medien. Wird, sobald ein Unfall oder Doping Vorfall beim Fußball auftritt, etwa direkt von einer Abschaffung der Sportart gesprochen?

Dass bei einer Sportart, in der Tiere involviert sind, solche Fälle strenger beurteilt werden müssen, ist richtig, weshalb für den richtigen Umgang mit seinem Sport- und Freizeitpartner Pferd ethnische Grundsätze festgeschrieben sind, an die sich zu halten gilt. Kritiker des Pferdesports kennen sich jedoch überwiegend gar nicht in einem solchen Ausmaß mit Regularien wie diesen aus, dass sie ihnen bekannt wären. Oftmals sehen sie den Reitsport nur oberflächlich, weshalb es ihnen kaum möglich ist, ein tiefgründiges Urteil zu bilden. Bevor man dies nämlich fällt, sollte vorher stets eine genaue Analyse der Umstände erfolgen.

Die ethischen Grundsätze wurden 1980 entwickelt und umfassen die zu übernehmende Verantwortung, die artgerechte Haltung, die oberste Bedeutung der Gesundheit, notwendige Kenntnisse über die jeweiligen Bedürfnisse, das Ziel der größtmöglichen Harmonie sowie die Orientierung an der Veranlagung, dem Leistungsvermögen und der Leistungsbereitschaft des jeweiligen Pferdes.

Wie auch bei Gesetzesregelungen seitens der Bundesrepublik Deutschland für ein würdevolles Zusammenleben in der Gesellschaft gibt es leider auch hier Regelverstöße. Dies sind jedoch Einzelfälle und sie betreffen nicht die Mehrheit, weshalb man nicht verallgemeinernd sagen kann: „Reiten ist Tierquälerei“.

Das 3. Grundgesetz der ethnischen Grundsätze lautet:

„Der physischen wie psychischen Gesundheit des Pferdes ist unabhängig von seiner Nutzung oberste Bedeutung einzuräumen“

Ethnische Grundsätze der FN

Dass auch bei den bekannten Sportlern das Wohl des Tieres an erster Stelle steht, zeigt der Rücktritt der Dressurreiterin Dorothee Schneider beim Weltcup Turnier in Basel. Sie traf die Entscheidung, mit ihrem Pferd Showtime in der Kür nicht an den Start zu gehen, da ihr Gefühl ihr sagte, dass „Showi“, wie sie ihn liebevoll nennt, nicht zu 100 % fit war.

Auch Olympiasiegerin Jessica-von-Bredow-Werndl zeigt täglich auf ihren Social-Media Kanälen und auch in ihrem Buch „Das Glück der Erde“  ihr äußert tierfreundliches Verhalten.  Doch da sie nun mal sehr in der Öffentlichkeit steht und im hohen Sport erfolgreich ist, ist auch Jessica-von-Bredow-Werndl einigen Vorwürfen ausgesetzt. Somit erschienen auch unter dem Sportschau Beitrag zum aktuellen Weltcup Sieg in den sozialen Netzwerken schnell Kommentare wie „Das arme Pferd“. Davon kann bei Jessicas Dalera aber in keinem Fall gesprochen werden.

Ich habe Jessica-von-Bredow Werndl im Interview befragt, welchen Beitrag sie täglich zur Bewahrung des Tierwohls leistet.

„Mein größter Beitrag ist der tägliche Umgang mit den Tieren um mich herum. Ich versuche meinen Pferden die tägliche Arbeit so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten und ihnen neue Lektionen so verständlich wie möglich zu erklären. Außerdem werden sie bestens umsorgt und somit ihr Wohlergehen gewährleistet. Ich denke, dass ich durch das Teilen meines Umgangs mit den Pferden in den sozialen Medien, aber auch auf Turnieren als Vorbild für viele agieren kann und so auch Menschen außerhalb meines direkten Einflusskreises zu einem tierfreundlicheren Verhalten motiviere. Außerdem spenden wir regelmäßig an die Animal Welfare Foundation und helfen so noch mehr Tieren, denen es nicht so gut geht wie den Tieren in Aubenhausen.“

Jessica-von-Bredow Werndl

Dieses äußerst verantwortliche Verhalten im Umgang mit den Pferden, rückt dann jedoch durch eine durchaus selektierte Berichterstattung der jeweiligen Medien in den Hintergrund.  Angewendet wird hier oftmals das sogenannte „Framing“. Es wird in der Berichterstattung nicht die ganze Wirklichkeit gezeigt, sondern nur ein Ausschnitt.  Bei der Erzielung einer Objektivität wird dies oftmals zum Problem, da für eine Meinungsbildung ein allumfassendes Bild benötigt wird.

Leider bekommt man auch im Bereich des Reitsports oftmals den Eindruck vermittelt, dass nur die Einzelfälle abgebildet werden, die gegen das Tierschutzrecht verstoßen. Die von dem bekannten Springreiter Ludger Beerbaum veröffentlichten Szenen des „Barrens“ und die Tierquälereien in Oelde wurden häufig aufgegriffen. 

Durch diese mediale Berichterstattung und Wahrnehmung des Reitsports kommen dann auch solche Aussagen wie die der Tierschutzpartei zustande:

„Respekt vor dem Leben – das fehlt im Pferdesport. Ein fühlendes Wesen,degradiert zum Sportgerät. Erfüllt es seinen Zweck nicht, wird es schnell entsorgt, durch Tötung. „Erlösung“, wie es dann stets heißt. Der Kommerz und der Erfolg stehen hier im Vordergrund, nicht das Leben. Das wird nur an seinem Nutzen gemessen, seinem wirtschaftlichen und sportlichen Wert.“

Tierschutzpartei

Wenn es wirklich nur um den wirtschaftlichen und sportlichen Wert gehen würde, dürften die Pferde dann als Rentner noch weiterhin auf der Weide ihres Sportpartners ihren letzten Lebensabschnitt verbringen? Vermutlich nicht, da dies schließlich eine zusätzliche finanzielle Last wäre.  Dass es sich jedoch in unserem Sport um eine Partnerschaft und nicht den „wirtschaftlichen und sportlichen Wert“ handelt, zeigt beispielsweise auch die Verabschiedung von Jessica-von-Bredow-Werndls Erfolgspferd Unee BB mit 17 Jahren in den sportlichen Ruhestand. Seit dieser Verabschiedung aus dem Sport verbringt Unee BB nun sein Leben in Aubenhausen und wird weiterhin liebevoll umsorgt.

Auch, wenn Außenstehende mal auf einer Reitsportveranstaltung zu Besuch sind, dann entsteht aus Unwissenheit und teilweise auch dem Suchen nach Fehlern ein falsches Bild. Somit sind auch Sporen und Gerte bei vielen ein verrufenes Hilfsmittel. Dass diese jedoch der Verfeinerung der Hilfen dienen, will meist nicht gehört werden. Außerdem gibt es, um einen Missbrauch dieser zu verhindern, ebenfalls tierschutzrechtliche Maßnahmen, die detaillierte Angaben zur Länge und Beschaffenheit der Endfläche der Sporen beinhalten. Somit dürfen Sporen beispielsweise im Springen laut LPO 2024 zukünftig nicht mehr als vier Zentimeter lang sein.

Die Veröffentlichung tierschutzwidriger Vorfälle dient natürlich der Sensibilisierung und soll das richtige Verhalten lehren, jedoch wird somit auch das falsche Bild des Reitsports verstärkt, weshalb Reiter*innen oftmals den vorher genannten Vorurteilen ausgesetzt sind.

Hingegen könnte ebenfalls argumentiert werden, dass ein tierfreundliches Verhalten normal sein sollte und somit mithilfe einer Veröffentlichung nicht unbedingt hervorgehoben werden muss. Es gibt jedoch durchaus einige Aktionen, die zur Verbesserung des Bildes des Reitsports durch eine Veröffentlichung der Medien beitragen würden. Nennenswert ist an dieser Stelle auf alle Fälle die von Juliane Barth ins Leben gerufene Aktion #WirfürdenPferdesport. Ziel des Hashtags ist es, den Menschen außerhalb des Pferdesports zu zeigen, dass es sich nicht um Sportgeräte handelt, wie oftmals vorgeworfen. Juliane schrieb in ihrem Instagram Beitrag:

„Ich finde nicht, dass wir „intern“ nicht verstehen, was extern abgeht. Wir hinterfragen sehr wohl unseren Sport, die Sportler, die Pferde, die Regeln. Alles steht immer wieder auf dem Prüfstand und muss es auch, damit wir uns mit der modernen Welt weiterentwickeln.“

Juliane Barth

Auch Jessica-von-Bredow Werndl befand sich schon in Situationen, die sie durchaus schockiert haben.

„Es gab schon Situationen im Sport die mich genauso wie die Menschen hinter dem Fernseher erschüttert haben. Dennoch weiß ich, dass ich durch die Art und Weise wie ich mit meinen Tieren umgehe, ihr Tierwohl gewährleiste und somit keine Zweifel haben brauche. Es ist wichtig, dass die Pferde ein richtig schönes Leben haben, denn das ist die Voraussetzung für unseren Sport. Auch die Art und Weise des Trainings ist entscheidend. Wir arbeiten nach dem Prinzip der positiven Verstärkung und wollen die Pferde zu stolzen Persönlichkeiten entwickeln.“

Jessica-von-Bredow Werndl im Interview

Ein gutes Beispiel für die von Juliane angesprochene Weiterentwicklung stellt die Verbesserung der Sicherheitssysteme in der Vielseitigkeit dar. Neben den traditionellen naturähnlichen Hindernissen befinden sich seit mehreren Jahren bereits Sicherheitsmaterialien im Einsatz, die ein Abwerfen oder eine Deformation des Hindernisses hervorrufen. Beim modernen Fünfkampf wird außerdem in Zukunft das Springreiten durch den Hürdenlauf ersetzt, sodass Vorfälle wie im Jahr 2021 nicht nochmal auftreten können.

Julianes Hashtag haben sich schon einige angeschlossen. Dies zeigt, wie vielen etwas an der korrekten Wahrnehmung unserer Leidenschaft und des Sports liegt. Insgesamt wurden mittlerweile auf Instagram über 5.000 Beiträge mit dem Hashtag veröffentlicht. Auch Josefa Sommer bekundete mit dem Hashtag #wirfürdenpferdesport ihre Anteilnahme am Tod von Allstar B, aber kämpfte auch gleichzeitig gegen die erneute Verurteilung des Reitsports an.

Nicht nur Josefa Sommers Hamilton zeigt, dass Sportpferde auch im Alter noch topfit sind. Auch Marcus Ehning gratulierte seinem Erfolgspferd Sandro Boy zwölf Jahre nach dem letzten großen Auftritt zum 30. Geburtstag.

Weitere zu nennende Aktionen zur Demonstration der Vereinbarkeit von Tierwohl und dem Sport, lassen sich sowohl bei kleineren WBO/LPO Turnieren als auch bei größeren Veranstaltungen, beispielsweise dem Braunschweiger Veolia Classico, wahrnehmen. Bei einem Besuch dessen fiel positiv auf, dass einige Reiter*innen nach vermehrten Fehlern im Springparcours die Hand hoben. Ein solches Verhalten dient der Schonung des Pferdes, da stets das Wohle des Tieres im Vordergrund stehen sollte.

Für selbstverständlich sollte man die Leistungen, die unsere Sportpartner uns bringen, nie nehmen.  Beim Veolia Classico  wurden mit den Worten „Besonders danken müssen wir unseren vierbeinigen Partnern“  Blumensträuße bestehend aus Möhren an die Pferde überreicht.

Eine solche Art der Wertschätzung sollte nicht ausschließlich vor der Öffentlichkeit geschehen, sondern im täglichen Umgang deutlich werden. Gegenseitiger Respekt, Vertrauen und eine Arbeit auf Augenhöhe sind der Schlüssel zum Erfolg. Verliehen wird somit auch vermehrt auf den großen Turnieren der sogenannten „Harmonie & Fairness Preis“ der Firma Anrecht Investment. Durch das Voting vergibt jeder Zuschauer Punkte für die Kriterien: Leichtigkeit, Harmonie und Fairness.

Auch bei kleineren Turnieren kommt es zu solchen Projekten. Unter dem Namen „Fair geht vor“ wird besonders pferdefreundliches Reiten durch eine Jury bestehend aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen gekürt.  Unterstützt von der Deutschen Kreditbank AG  ermöglichen die persönlichen Mitglieder der FN jugendlichen Reitern, sich mit den Grundwerten des Pferdesports näher auseinanderzusetzen.

Gelehrt werden diese Grundwerte des Reitsports, zu denen auch die bereits genannten ethnischen Grundsätze zählen, die Tierschutz, Teamgeist, Beziehung und Gesundheit beinhalten, bereits frühzeitig bei den verschiedenen Reitabzeichen. Benötigt werden diese Abzeichen dann zum Einstieg in den Turniersport und dem Erlangen einer Jahresturnierlizenz, sodass man ohne jegliche Kenntnisse über die Grundwerte, die Tierschutzmaßnahmen und die ethnischen Grundsätze gar nicht erst in den Sport einsteigen kann.

Auch auf dem Turnier gibt es dann weiterhin durch den Tierarzt Kontrollen zur Überprüfung der Umsetzung tierschutzrechtlicher Bestimmungen. Ein solches Format beginnt bereits mit der Equiden Pass- und einer damit verbundenen Impf- und Pferdekontrolle.

Um das falsche Bild in der Gesellschaft zu bekämpfen und gesellschaftliche Akzeptanz zu erlangen, veranstaltete auch die Reiterliche Vereinigung bereits einen Social License Workshop mit der Fragestellung „Wie können wir es schaffen, dem Akzeptanzverlust entgegenzuwirken und die soziale Lizenz der Gesellschaft für den Reitsport zu sichern?“

Ein ähnliches Ziel verfolgt die neu gegründete Initiative „CHIO Aachen Scientist Circle“, die sich für das Wohlergehen der Sportpferde einsetzen möchte, indem die genauen Bedürfnisse der Sportpferde von Fachleuten und Wissenschaftlern untersucht werden sollen.

Die Kritik am Reitsport ist somit in den meisten Fällen nicht gerechtfertigt. Sie entsteht durch gefährliches Halbwissen, die selektierte Berichterstattung und das fälschliche Verhalten in Einzelfällen. Schon Albert Einstein bemerkte, auch wenn man alles richtig macht, aber einen Fehler begeht, die Menschheit ausschließlich auf diesen achtet und lacht.

„Trotz der Tatsache, dass ich neun Probleme richtig analysiert habe, hat mir niemand gratuliert. Aber als ich einen Fehler machte, fingen alle an zu lachen. Dies bedeutet, dass selbst wenn eine Person erfolgreich ist, die Gesellschaft ihren geringsten Fehler bemerken wird. Und das wird ihnen gefallen. Lass also nicht zu, dass Kritik deine Träume zerstört. Die einzige Person, die nie einen Fehler macht, ist jemand, der nichts tut.“

Albert Einstein / Quelle: Facebook Albert Einstein Zitate

Medialer Aufschrei wie der durch den modernen Fünfkampf ist natürlich verständlich und solchen Vorfälle muss durch eine Verbesserung der Regelwerke entgegengewirkt werden, aber es liegt nun an uns, die Zukunft unserer Leidenschaft und unseres Sportes zu bewahren. Es gilt jetzt zu handeln oder wie Juliane schrieb:

„Es ist viertel vor 12 und wir sind kurz davor, dass die Gesellschaft unseren schönen Sport als generelle Tierquälerei betrachtet und uns damit die soziale Lizenz entzieht.“

Quelle: Julis Eventer Blog, Social License – wie retten wir den Pferdesport??
Über Annelie 23 Artikel
Mein Name ist Annelie, ich besuche die 13. Klasse, bin 18 Jahre alt und Chefredakteurin der Profil-AG. Journalistisch bin ich sehr aktiv. Mittlerweile habe ich bereits am Jugendpressetag im Bundesministerium und bei einem Jugendpressekongress der Youngleaders GmbH teilgenommen. Außerdem bin ich im Mentoringprogramm 2023 der Jugendpresse mit dabei. Ich freue mich, wenn Ihr die Artikel fleißig lest! :)