Vor gerade mal drei Jahren erschien beim Deutschlandfunk die Pressemeldung „Rassendiskriminierung per Eignungstest“ von Heike Wipperfürth. Obwohl vielen die Vorgeschichte Amerikas bekannt war, gingen beispielsweise in New York schwarze und weiße Kinder selbst zu dieser Zeit noch getrennt zur Schule. Ursache waren komplexe Eignungstests, die man nur mit kostspieligem Privatunterricht absolvieren konnte. Die Schule war also stets ein Bereich, wo die Rassentrennung sich bemerkbar machte, aber dennoch nicht komplett bewältigt werden konnte.
Wirft man einmal einen Blick in die Vergangenheit, so stößt man des Öfteren auf die Formulierung: „Seperate but equal“ – Diesem Grundsatz zufolge sollten für weiße und schwarze Amerikaner*innen in vielen Bereichen des Lebens vergleichbare Einrichtungen oder Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden, die jedoch hinsichtlich ihrer Nutzung strikt nach der Hautfarbe getrennt waren.
In den 1950er Jahren konnte an den amerikanischen Highschools definitiv nicht von „seperate but equal“ gesprochen werden. Wie machte sich die Rassentrennung demnach zu dieser Zeit schon bemerkbar?
In den fünfziger Jahren galten noch in 17-US-Bundesstaaten Gesetze, die schwarzen Kindern verboten, auf die gleichen Schulen wie Weiße zu gehen. Der 14. Zusatzartikel der Verfassung Amerikas widerspricht diesem jedoch:
„Alle Personen, die in den vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert sind und ihrer Gesetzeshoheit unterstehen, sind Bürger der Vereinigten Staaten […] Keiner der Einzelstaaten darf Gesetze erlassen oder durchführen, die die Vorrechte oder Freiheiten von Bürgern der Vereinigten Staaten beschränken, und kein Staat darf irgendjemandem ohne ordentliches Gerichtsverfahren nach Recht und Gesetz Leben, Freiheit oder Eigentum nehmen.“
14. Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung
Dieser Zusatz der Verfassung spricht den Kindern somit das Grundrecht auf Gleichbehandlung zu, welches ihnen jedoch durch die Trennung nach schwarzen und weißen Kindern in den öffentlichen Schulen aufgrund der Rasse verwehrt wurde.
Die Unterschiede der Schulen
Auch wenn die schwarzen Kinder die Chance hatten, eine Bildungseinrichtung zu besuchen, machte sich ein deutlicher Unterschied im Vergleich zu den Schulen der weißen Kinder bemerkbar. Schwarze Schüler*innen bekamen alte abgelegte Bücher der weißen Schüler*innen, wohingegen an anderen Schulen mit den neuesten Unterrichtsmaterialien gearbeitet werden durfte. Die Lehrkräfte waren geringer qualifiziert und die Immobilien in einem schlechteren Zustand.
Aufgrund dieser verschiedenen Voraussetzungen wurde den Kindern nicht dieselbe Chance auf Berufs- und Studienmöglichkeiten geboten. Der Weg zum Erfolg wurde ihnen bewusst erschwert.
Fallbeispiel Linda Brown
Ein Fallbeispiel für eine solche Diskriminierung im Bildungssystem stellt Linda Brown dar. Mit neun Jahren musste sie einen längeren Schulweg als notwendig zurücklegen, exakt acht Kilometer, obwohl direkt bei ihrem Wohnort eine Schule vorhanden gewesen wäre.
Der Vater Linda Browns ließ sich davon nicht einschüchtern und bewies Mut, indem er sich für die Rechte seiner Tochter einsetzte. Er klagte gemeinsam mit Eltern aus fünf verschiedenen Schulbezirken gegen den zuständigen Bildungsausschuss. Unterstützung kam des Weiteren von der Bürgerrechtsorganisation „National Association for the Advancement of coloured People“.
Dieser Prozess Browns führte letztendlich am 17. Mai 1954 zu einem bedeutsamen Urteil im Obersten Gericht, sodass die Rassentrennung an Schulen fortan verfassungswidrig und damit verboten war. Dies war ein Wendepunkt in der amerikanischen Geschichte unter dem Namen “Brown vs. Education“.
Gewaltvolle Widerstände
Die Anzahl der Widerstände gegen die Rassentrennung nahm enorm zu. Es war jedoch keiner so naiv zu glauben, dass fortan alles aufgehoben sei. Bei den zuständigen politischen Entscheidungsträgern trug der mangelnde Wille und in den Südstaaten die bewusste verzögerte Umsetzung sowie Verweigerung dazu bei, dass die Ungleichheit zunächst bestehen blieb. In South Carolina dauerte es neun Jahre, bis die erste vereinte Schule eröffnet wurde.
Außerdem kam es zu unzähligen Vorfällen, welche von Gewalt geprägt waren. Schwarze Schüler*innen wurden trotz aufgehobener Rassentrennung in Bildungseinrichtungen körperlich attackiert, tyrannisiert und bedroht. Sogar die Eltern zeigten fehlende Akzeptanz, da sie Türen und somit den Zutritt zu den Schulen blockierten.
Der Widerstand wurde vor allem in Little Rock sehr deutlich. Der damalige Präsident Dwight D. Eisenhower schritt persönlich ein, weshalb die Schüler*innen folglich von Soldat*innen begleitet wurden.
Am 4. September 1957 wollte Elisabeth Eckford als erste dunkelhäutige Schülerin die Central High-School betreten, wo sie von ihren Mitschüler*innen beschimpft wurde. Sie beschrieb ihre Erfahrungen mit den Worten:
„Mit 15 war Diskriminierung für mich Normalität.“
Elisabeth Eckford
Psychische Folgen
Erst nachdem die Jugendlichen diese „Normalität“ hinterfragten, wurde ihnen die eigentliche Situation zum ersten Mal bewusst. Das herrschende Zweiklassenbildungssystem brachte nämlich diverse Folgen mit sich. In der Urteilsbegründung von Richter Warren wurden vor allem die Auswirkungen auf die psychische Entwicklung der Kinder deutlich:
„Sie von anderen im gleichen Alter und mit gleicher Qualifikation zu trennen, nur aufgrund ihrer „Rasse“, erzeugt ein Minderwertigkeitsgefühl, das wohl nicht mehr rückgängig zu machen ist, in Bezug auf ihren Status in der Gemeinschaft.“
Earl Warren, Richter
Dieses Minderwertigkeitsgefühl meint hier, dass die Kinder das Gefühl haben, weniger Wert zu sein und eine geringere Stellung zu haben. Gerade in dem Alter wurde den Kindern also der Mut genommen, um sich später für ihre Rechte einzusetzen, da sie den Eindruck haben mussten, sich unterordnen zu müssen.
Die aktuelle Situation
Die 1950er Jahre gingen demzufolge in die Geschichte ein. Schwarze Schüler*innen hatten geringere Zukunftschancen im Beruf und litten unter psychischen Folgen. Das Gesetz war abschließend symbolisch für die USA ein großer Schritt, jedoch entspricht es nicht der Wirklichkeit. Durch das weitere Vorherrschen der Rassentrennung in den 1950er Jahren, wurde parallel immer mehr für die Chancengleichheit gekämpft, aber die Folgen dieser Zeit zeichnen sich in der Gesellschaft vermehrt ab.
Während 1950 das Bildungssystem nach dem Motto „separate but not equal“ ausgerichtet war, entwickelt sich die USA nun immer weiter zu einem Bildungssystem ohne Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe oder Herkunft. An der Central High-School in Little Rock waren 2007 53 % der Schüler*innen schwarz. Andererseits lässt sich auch heutzutage die Rassentrennung nicht leugnen, da Schulen in den USA vermehrt von der Grundsteuer finanziert werden und deshalb reichere Bezirke profitieren.
Eine Chancengleichheit ist noch lange nicht gewährleistet.
John A. Powell, Leiter des Kirwan Institue für Rasse und Volkszugehörigkeit der Ohio State University, sagte aus diesem Grund:
„Viele Weiße unterstützen im Stillen noch immer die Rassentrennung.“
John A. Powell
Ob es jemals eine Gesellschaft ohne Rassentrennung geben wird, sei in Frage gestellt, aber die Akzeptanz wird nun, wie auch der Widerstand, im Vergleich zu 1950 größer.