Leistungsdruck, Stress, Angst und Erschöpfung. Jeder dritte Schüler leidet laut einer DAK-Studie unter Depressionen. Gelerntes Wissen wird häufig nur in der Klausur angewandt und danach wieder vergessen. Wie effizient ist das Lernen wirklich?
Im Frühjahr 2022 gab es vom Kultusministerium den Erlass, dass nur noch in den Prüfungsfächern Klausuren geschrieben werden mussten. Dies sollte zur Entlastung der Schülerinnen während der Corona-Pandemie dienen. Statt uns diese Entlastung zu gewähren, wurden aber in einigen Fächern mehrere Tests geschrieben. Nachvollziehbar ist natürlich das Argument, dass dies Schülerinnen, die ihre Stärken in den schriftlichen Leistungen haben, die Chance zum Ausgleich mündlicher Leistungen bietet, jedoch wäre es dann das richtige Handeln gewesen, dass man eine solche Leistung freiwillig einreichen kann. Eine Leistungsbewertung für alle sorgt hier erneut für den Leistungsdruck, der ursprünglich mit der Regelung genommen werden sollte.
Der Einstieg nach der Homeschoolingphase, welche durch die Corona-Pandemie bedingt war, fiel vielen Schülerinnen schwer. Lernrückstände mussten aufgearbeitet werden, um alle Schülerinnen wieder auf denselben Lernstand zu bringen. Hinzu kamen auch große psychische Probleme. Laut einer im Mai veröffentlichten OECD-Studie sind junge Menschen um 80 Prozent häufiger von Depressionen und Angststörungen aufgrund der Pandemie betroffen als die Gesamtbevölkerung. Vernünftig gewesen wäre es, wenn man erst einmal die Anzahl an Schulpsychologen aufstockt und Klausuren aussetzt bis alle wieder auf dem selben Wissensstand sind. Doch mit Beginn der Schulstunden in Präsenz begann auch der Leistungsdruck. Unbeachtet blieb, dass die Jugendlichen im Homeschooling unter unterschiedlichen Bedingungen gearbeitet haben, da nicht jeder Haushalt ein eigenes Zimmer mit der nötigen Ruhe zur Konzentration bietet. Die Bildungsschere wurde größer.
Ähnlich kritisch zu betrachten sind die Klausurenphasen. Hier liegen die Klausuren meist so eng beieinander, dass man das Wissen nur „schnell in seinen Kopf reinpresst“, statt sich tiefgreifend damit auseinanderzusetzen. Nach der Klausur wird dieses Wissen meist direkt wieder verdrängt, da die nächste Klausur ansteht. Effizient ist diese Lernweise nicht. Bewiesen ist ein Wissensverlust innerhalb einer Woche von 75 %.
Stupides Auswendiglernen zeichnet unser derzeitiges Bildungssystem aus. Doch sollte man nicht viel mehr Wert auf Praxis und Berufserfahrungen legen?
Diese Thematik wurde ebenfalls beim diesjährigen Jugendpressetag im Bundesministerium für Bildung und Forschung in Berlin thematisiert. Die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger war hier ebenfalls der Meinung, dass ein zweiwöchiges Praktikum im 11. Jahrgang zu spät und zu wenig sei, da Berufserfahrungen zur Orientierung schon wesentlich früher gemacht werden müssen. Empfehlenswert wäre es dementsprechend bereits in den unteren Klassen Praktika zu integrieren.
In diesem Bereich kann ich aus eigener Erfahrung sprechen, denn das schulische Praktikum an meiner Schule, welches im 11. Jahrgang vorgesehen war, wurde aufgrund von der Corona-Pandemie gecancelt. In der zwölften Klasse hatten wir dafür mehrere Veranstaltungen zur Berufsorientierung, welche uns nur kaum in unserer Entscheidung und Erfahrung weiter vorangetrieben haben. Statt das man also diese Veranstaltungen weglässt und dafür den Schülerinnen wenigstens eine Woche Praktikum bietet, fehlt dieses nun im Lebenslauf und für kommende Bewerbungen nach der Schule. Auch der Vorschlag ein solches Praktikum vor den Sommerferien zu verorten, da diese Zeit häufig durch das Anschauen jeglicher Filme gefüllt wird, fiel, jedoch sei diese Behauptung der falschen Zeitnutzung nicht wahr und es gäbe keinen freien Zeitraum. Gesagt wurde stets „Ihr könnt es doch in den Sommerferien nachholen“. Dass diese aber gerade im Abiturjahrgang zur Erholung und zum Durchschnaufen genutzt werden, was auch verständlich sein sollte, wird nicht gesehen. Warum denn auch? Wir sind ja schließlich Maschinen, die jeden Tag funktionieren müssen. So hat man zumindest den Eindruck. Häufig bekommen SchülerInnen auch in den Leistungsstandsbesprechungen gesagt: „In der Stunde/Zeit warst du nicht so stark dabei, das zieht die Note ganz schön nach unten“. Dass also auch SchülerInnen mal aufgrund von privaten Problemen einen schlechten Tag haben wird von den wenigsten gesehen.
Das Erbringen von schriftlichen Leistungen wurde also einem Praktikum vorgezogen und die Schülerinnen leiden nun unter starken Zukunftsängsten, da sie keine Berufsvorstellungen besitzen und kaum praktische Erfahrungen mit sich bringen können. Die Orientierungslosigkeit ist groß, denn es wissen 46 Prozent (Quelle: Buch Wozu nach den Sternen greifen, wenn man auch chillen kann?“ von Frau Bartholomäus) der Abiturienten nicht, welcher Tätigkeit sie nach der Schule folgen wollen. Die Auswirkungen fehlender Praktika machen sich also durchaus bemerkbar.
Insgesamt lässt sich also ein deutlicher Trend zu vermehrtem schulischen Stress, Depressionen und Ängsten durch einen zu hohen Leistungsdruck erkennen. Das gelernte Wissen wird schnell vergessen, die praktische Ausbildung fehlt und die psychische Gesundheit der Schüler*Innen und ihre Bedenken werden oftmals nicht ernstgenommen.
Auch wenn die genannten Beispiele von unserer Schule sind, ist diese Problematik der Lerneffizienz durchaus auch auf das bundesweite Schulsystem bezogen.